Das Alevitentum

Das Alevitentum formte sich erst in Anatolien im 13. und 14. Jahrhundert. In der Türkei ist das Alevitentum auch heute dank der fortgesetzten Überlieferungen, insbesondere durch die Glaubenältesten und durch die alevitischen Dichter und Saz- Spieler (eine Art Barden) als Glaube und Kultur mit seinen sozialen Normen und Werten lebendig. Daher spielt die Musik bei den Aleviten eine große Rolle.

Anschuldigungen seitens der Sunniten, daß die Aleviten den Schwiegersohn des Mohammed und die 4. Kalifen, den sie besonders verehren (der Name Ali ist im Alevi beinhaltet) als Gott betrachten und daß in ihren Gemeinden Inzest betrieben wird, weil sie ihre Rituale gemeinsam mit den Frauen und Kindern führen im Gegensatz zu den Sunniten stammen aus osmanischer Zeit und wurden damals zum Zweck der Unterdrückung des Alevitentums verbreitet. Bis heute sind derartige Beschuldigungen und Vorurteile unter den fanatischen Sunniten gegenwärtig. Das Vorhandensein der 20 Mio. Aleviten wird offiziell geleugnet. Staatliche Stellen "übersehen" sie und bemühen sich die Bevölkerung der Türkei als durchgängig sunnitisch darzustellen.

Die staatliche kontrollierten Medien behandeln das Thema Alevitentum nicht. Obwohl Christen und Juden in der Türkei offiziell als religiöse Minderheiten anerkannt sind, ihre eigene Gebetsstätten haben, wird das Alevitentum als Sekte abgestuft und fällt somit unter das in der Türkei geltende Verbot für Sekten. Aus diesem Grunde existiert bis heule keine offizielle Institution die den Glauben in der Türkei vertreten und fördern. Die Haci-Bektas-Veli-Stätte gilt in der Türkei als die einzige vom Statt geduldete Institution der Aleviten.

Die Aleviten unterstützten den Laizismus und die Demokratie. Die alevitische Bevölkerungsgruppe war eine der tragenden Kräfte bei der Gründung der türkischen Republik, weil sie sich insbesondere durch die Abschaffung der sunnitischen Rechtsordnung und die Einführung des Laizismus mit der Trennung von staatlichen und religiösen Angelegenheiten eine Gleichberechtigung mit der sunnitischen Glaubensrichtung erhoffte. Auch heute noch betrachten die Aleviten die laizistische Staatsform als Grundlagen ihrer Existenz.

Aleviten in der Türkei sind nicht zu verwechseln mit den Schiiten im Iran und Alawiten in Syrien.

Wegen des gemeinsamen Ursprungs der Spaltung des Islam nach Mohammeds Tod, werden die Aleviten formal den Schiiten zugerechnet und aus diesem Grund fälschlicherweise oft mit ihnen g1eichgesetzt. Völlig verschiedene geschichtliche und religiöse Bedingungen in der Türkei und im Iran bewirkten, daß sich diese Gruppen sehr unterschiedlich entwickelten.

So gibt es heute bedeutsame Unterschiede im Verhältnis zu Gewalt und der Stellung der Frau: Die Aleviten lehnen Gewalt grundsätzlich ab, in ihren Gemeinden sind die Frauen den Männern gleichgestellt.

Im schulischen Religions- und Ethikunterricht wird die alevitische Lehre nicht vermittelt.

Seitdem in der Türkei der Religions- und Ethikunterricht in den Schulen infolge der neuen Verfassung von 1982 zum Pflichtfach geworden ist, sind die Kinder aus alevitischen Familien verpflichtet , an einem Religionsunterricht teilzunehmen, in dem nicht ihre eigene, sondern die sunnitische Glaubensrichtung gelehrt wird. Auch in den Schulen werden die Vorurteile über Aleviten verbreitet. Durch eine solche Unterrichtung, die der Familiären religiösen Erziehung zuwiederläuft, werden bei den jungen Menschen Gewissens- und Familienkonflikt hervorgerufen. Darüber hinaus wird das freundschaftliche Miteinander der Schüler aus alevitischen und sunnitischen Familien zerstört und damit immer wieder die Zwiespalt zwischen Religionsgemeinschaften gefördert.

Das Amt für. religiöse Angelegenheiten in der Türkei bestimmt die finanzielle Förderung der moslemischen Gemeinden und gestaltet den Religionsunterricht an den Schulen mit. Das diesem Amt zur Verfügung stehende Budget wird ausschließlich zur sunnitischen Lehre und zum Bau von sunnitischen Moscheen verwendet. Dabei beansprucht dieses Amt, den gesamten Islam zu vertreten. Seit Anfang der achtziger Jahre entsendet das Amt für religiöse Angelegenheiten sunnitische Geistliche zum Zwecke der Missionierung auch in alevitische Dörfer, baut dort verstärkt suinnitische Moscheen und setzt damit die dortige Aleviten und ihre Geistlichen unter erheblichen Druck.  

WER SIND DIE ALEVITEN ?

So wie alle anderen Religionen dieser Welt, beinhaltet auch der Islam verschiedene Konfessionen. Der westlichen Welt sind nur die Schiiten (z.B im Iran) oder die Sunniten (zB in Saudi-Arabien) bekannt. Aber außer diesen beiden gibt es noch viele verschiedene Konfessionen,die je nach Ländern unterschiedlich stark vorkommen.

Dazu gehören auch die Aleviten ,die nicht nur in der Türkei ,sondern auch in den Balkan-Ländern und in einigen Arabischen Staaten leben.Rund ein Drittel der in Türkei lebenden 66 Millionen Menschen gehören dieser Konfession an. Natürlich gibt es auch Christen, Juden und Andersgläubige ,die jedoch ca.2% ausmachen.

Die Aleviten konnten aufgrund ihrer "Minderheitenrolle " bis heute weder ihre 1400 jährige Kultur und Religion frei ausüben noch damit in die Öffentlichkeit treten. Sogar heute noch darf in der Türkei kein Verein oder eine Kultureinrichtung unter einem 'Alevitischen' Namen eröffnet werden, weiterhin wird die alevitische Konfession offiziel nicht anerkannt. Dagegen wird aber die sunnitische Konfession durch den Staat mit Hilfe von staatlichen Finanzmitteln (Steuereinnahmen) und dem 'Amt für religiöse Angelegenheiten ' (Diyanet Isleri ) stark gefördert.

Das 'plötzliche' Auftreten der Aleviten in jüngster Zeit ist darauf zurückzuführen, daß sie wieder Opfer zunehmender Gewalt von türkischen Fundamentalisten und Rechtsradikalen geworden sind. Zu diesen Gewalttaten gehört z.B der Brandanschlag der Fundamentalisten in Sivas /Türkei im Juli 1993, wobei 37 Intellektuelle und Künstler ermordet worden sind. Auch der feige rechtsradikale Angriff auf alevitische Teehäuser in Istanbul im März 1995 forderte fünf Tote. Auf den darauf folgenden Protest-Demonstrationen ist die Anzahl der Toten auf ca. 30 gestiegen.

 

HISTORISCHER ÜBERBLICK, ENTWICKLUNG DES ALEVITENTUMS !

Um das Alevitentum als Religion, Kultur und Philosophie besser zu verstehen,sollte man ein Blick auf seine Entwicklungsgeschichte werfen.

Nach dem Tod des islamischen Propheten MOHAMMED (632n.Chr.), begann die Spaltung im Islam . Die Streitigkeiten um die Nachfolge des Propheten (Khalifen-Streit) führte zu der Entstehung der Hauptkonfessionen SUNNISMUS, SCHIISMUS und des Alevitentum. Die Anhänger des Sunnismus unterstützten den einflußreichen Ebubekir, während die Aleviten und Schiiten ALI Ibn Talib als den rechtsmäßigen Nachfolger ernannten. ALI war der Cousin, Adoptivsohn und Schwiegersohn des Propheten. Der Clan der Omayyaden, dem auch Ebubekir angehörte, setzte sich um die Vorherrschaft im Islam durch. Zur Erhaltung ihrer Herrschaft wurden die Aleviten und Schiiten verfolgt und ermordet . Die Familie des Propheten ( EHLIBEYT ) wurde im Laufe der Zeit nach und nach brutal ermordet, um die Opposition zu schwächen. Höhepunkt dieser Morde war das Massaker in KERBELA ( Irak ), indem der dritte Imam, IMAM HÜSEYIN (Sohn von Ali ) samt seiner Familie und Freunde ums Leben kam.

Die Sunniten bestimmten nun, welche Teile der vom Propheten hinterlassenen religiösen Schriftstücke als heiliges Buch (KORAN ) zu gelten hatten und wie sie zu interpretieren seien. Während sich der Sunnismus und Schiismus immer mehr annährten, nahm die Entwicklung im Alevitentum einen ganz anderen Gang. Die Entwicklung im Alevitentum wurde stark durch andere Kulturen, Religionen und Philosophien beeinflußt ( Zarathustra, Schamanismus etc..). Das Alevitentum entwickelte sich zur einer naturverbundenen, toleranten, weltoffenen, Bescheidenheit und Nächstenliebe ausstrahlende Konfession des Islam. Die Aleviten lehnen die Schariat (Gesetzeskodex im orthodoxen Islam ) und die Sunna (Verhaltensformen und -techniken im orthodoxen Islam ) ab und treten für Religionsfreiheit (Laizismus), Menschenrechte ,Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft ein.

Aufgrund dieser liberalen Lebensauffassung wurden sie immer wieder Opfer der gnadenlosen Verfolgung durch die orthodoxen Moslems. Zur Zeit des Yavuz Sultan Selim's wurden sie im Osmanischen Reich zu Zehntausenden (ca. 40 000) massakriert. Durch aktiven Widerstand versuchten die Aleviten sich dieser Willkür und Tyrannei zu entziehen (z.B. die Revolte um 1240 um BABA ILYAS oder der Aufstand des SEYH BEDRETTIN im 14.Jhr.) Die Übergriffe, Hetzkampagnen und Assimilationsversuche hielten bis zum heutigen Tag an. Jüngste Beispiele dafür sind die Massaker in den 70 'er Jahren in CORUM und MARAS (ca. 100 Tote), oder SIVAS im Juli 1993 ( 37 Tote) und ISTANBUL im März 1995 (ca. 30 Tote ). Die erwähnten Städte liegen alle in der Türkei. Offiziel wird die Existenz der Aleviten in der Türkei immer noch nicht anerkannt, obwohl sie 1/3 (ca.20 Mio) der türkischen Bevölkerung ausmachen.

Das Alevitentum wurde stark durch den Philosophen und Reformator HACI BEKTAS VELI geprägt, der zwischen 1210 und 1271 gelebt hat. Großen Einfluß hatten auch die Volksdichter YUNUS EMRE (1241-1319), NESIMI (1339-1418), PIR SULTAN ABDAL und viele mehr. Viele der alevitischen Dichter und Philosophen wurden durch islamische Fundamentalisten gefoltert und ermordet.

Auch im Alevitentum gibt es bestimmte Regeln, wie die Lehre von den VIER TORWEGEN und die Trinität des "BEHERRSCHE DEINE HÄNDE, DEINE ZUNGE UND DEINE LENDEN ". Die alevitischen Gemeinden werden durch "DEDE's", den geistigen Führern, geleitet. Die Aleviten kommen bei den "CEM's" (eine Art Gottesdienst ) zusammen und versuchen hierbei auch eventuell vorliegende Probleme gemeinsam zu lösen. Im Alevitentum steht der MENSCH im Mittelpunkt der Religion und nicht irgendwelche überholte und unmenschliche Dogmen (Nähere Information folgt später !!) . Der Alevitentum ist außerhalb der Türkei noch in Syrien, Ägypten, Albanien und bei den aus der Türkei stammenden Immigranten in Westeuropa verbreitet. Es gibt noch viele kleine Richtungen im Islam, die genau die gleiche Philosophie und Werte vertreten. Leider sind diese so klein,daß sie ihre Stimmen nicht erheben können.

Quelle http://www.freepler.de/pazarbelen/alevilik_deutsch_18599385.html